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Viktor von Stenglin - ein beeindruckender Mann

...dabei möchte der 87 Jährige so gar nicht beeindrucken! Bescheidenheit ist wohl der erste Charakterzug, der ihm zugeschrieben werden kann. Denn genau so lernte ich ihn im Januar 2016 kennen. Endlich! Ganz lange schon wollte ich ihn besuchen und irgendwie sollte es nie passen... aber nun! Der Winter war plötzlich dann doch über den Darß geschneit und Suchen und Finden am Strand hatten sich quasi erledigt. Also endlich Zeit & innere Ruhe für die Buchhandlung am Wegesrand... 

 

...am Bernsteinweg - dem Weg zum Nordstrand in Prerow... da steht die Nordische Buch- und Kunsthandlung des Herrn von Stenglin, die er seit 1980 mit ungebrochener Freude betreibt. Die interessierte Kundschaft ist längst zum jung haltenden Lebenselixier geworden.

Sehr oft schon kam ich vorbei und sah das große "Geöffnet" - Schild. Es hängt so viel draußen, dass es schon fraglich ist, ob es denn immer stimmt. Aber das tut es! 

 

Ich öffne also zum ersten Mal diese Türen - es sind eine alte gesprosste und eine einfache Glastür, je nach Jahreszeit beide geschlossen oder nur eine davon. An diesem kalten Januartag sind beide geschlossen und schon allein das Öffnen ist Entschleunigung pur. Ein ganz eigenes Willkommen in einer ganz neuen, sehr eigenen Welt. Die zweite Tür streift die Klingel und kündigt Besuch an. Ich finde mich in einem warmen Raum voller - auf den ersten Blick - Bücher und Kalender wieder. Also wirklich voll!

Ich muss erst richtig ankommen.

Das meiste ist top aktuell, was mich, ich gestehe, überrascht. Das historische Kapitänshaus von 1870, welches seit 1920 im Besitz der Familie von Stenglin und noch sehr ursprünglich erhalten ist... hat mich anderes vermuten lassen.

Vielleicht eher mehr Antiquarisches. 

Seit 1920 lebt und arbeitet ein kleiner Teil der doch ziemlich großen und weit verstreuten Adelsfamilie mehr oder weniger vollzählig im denkmalgeschützten, reetgedeckten Kleinod mit imposanten alten Rhododendren im schönen Garten des studierten Garten- und Landschaftsarchitekten. 

Zu Familientreffen kommen gut und gerne an die 300 Familienmitglieder (samt Anhang) regelmäßig irgendwo in Deutschland zusammen. 

 

Die sanfte Klingel lockt Viktor von Stenglin aus einem Zimmer versteckt hinter seinem "Kassenbereich" hervor. Ich strahle ihn an. Weil ich so glücklich bin, dass ich es endlich zu ihm geschafft habe. Er lacht zurück und stellt fest: "Sie strahlen ja so!" und damit beginnen zwei Stunden schönes Sein bei ihm... völlig unerwartet. Und umso einprägsamer. 

 

Ich bin in diesem Januar'16 ganz speziell auf der Suche nach Grafiken. Und meine Intuition meint, neben der puren Neugier auf die "Nordische Buch & Kunsthandlung", hier fündig zu werden. Und tatsächlich: auf dem "Kassenthresen" liegt neben vielem anderen auch Briefpapier mit tollen Zeichnungen. Noch aus DDR-Zeiten. Ich finde keinen Namen und frage natürlich nach dem Künstler. Herr von Stenglin hat sie gezeichnet. Wirklich toll! Ich bin sehr beeindruckt. Und frage, ob er noch immer zeichnet. "Nein". Und meine Begeisterung ist ihm sichtlich unangenehm. Verlegen weicht er Nachfragen aus.

Ich werde später auch von anderen erfahren, dass er viel zu beschieden ist, sich loben zu lassen. 

Und ich werde immer weiter feststellen, dass er sehr wohl auch das grafische Potenzial hat, so gewürdigt und anerkannt zu werden, wie zum Beispiel Theodor Schultze Jasmer. Welchen ich ja leider nicht mehr treffen kann. Er starb in meinem Geburtsjahr.

Und von Stenglin ist nun der Meinung, dabei schelmisch lachend, das mit der Ehrung "das kommt dann später".

 

Als ich heute, gute zwei Jahre später nach meinem ersten Besuch bei ihm, wieder herein schaue (ich tat es inzwischen öfter), kann ich nicht anders, als wieder nach seinen künstlerischen Arbeiten und Aktivitäten zu fragen.

Er zeichnet noch immer nicht, könnte sich aber vorstellen, es im Februar auf Zypern noch einmal zu tun. Mal sehen. 

Zweimal im Jahr verreist er mit einem seiner drei Söhne. Einmal in die weite Welt und einmal in Deutschland. Dieses Jahr nun Zypern und Spreewald. Bewundernswert! Ich könnte ihm stundenlang zuhören. So ein heller, weltoffener Geist. Ein echtes Altersvorbild! 

 

 

Jedesmal wenn ich bei ihm reinschaue, um zu sehen, wie es ihm geht, frage ich natürlich auch, ob er wieder einen Schatz für mich hat. Irgendetwas findet sich immer. Entweder finde ich ihn selber, wenn er mich, wie all die anderen Besucher, erst einmal in Ruhe allein stöbern lässt - oder er zaubert etwas unter seinem Ladentisch hervor.

Heute greift er nach einer Mappe hinter sich und eröffnet mit: "Na Vontra kennen Sie ja?!"

Nein! Ich muss passen! Und bin sofort infiziert! 

Ein Album mit 32 Postkarten. Ich will mich nicht entscheiden, würde lieber von jeder Karte eine nehmen. "Nein" sagt er. "So machen wir das nicht, das sind viel zu viele!" Ah ja! Er kann also auch sehr bestimmt sein. Wir machen uns einen Spaß daraus. 

Er lässt mich allein, ich mache mir eine Liste - am Ende komme ich auf fast alle Karten und er sucht sie mir geduldig heraus. Gut sortiert in alten DDR-Fotomaterial-Kartons, herrlich. Hier wird scheinbar wirklich alles sehr lange gewürdigt... 

Was im Übrigen auch diverse Hausflohmärkte im letzten Jahr zeigten. 

 

 

Außerdem finde ich noch drei Bücher, die für meine weiteren Recherchen über Fischland-Darß-Zingst verlockend klingen, auch ein Käthe Miethe dabei.

Aber dazu dann an anderer Stelle. Genauso wie die Eindrücke, die ich noch alle sammeln darf am heutigen Tag bei ihm... zaghafte Blicke hinter eine spannende Kulisse, ein Leben so voller Geschichte und Geschichten... selbst jeder Löffel&Co. erzählt eine eigene.

 

Angrenzend an den Bücherraum, im Kaminzimmer und weiter im lichten Nachbarraum, zeigen Kat und Alexander von Stenglin, ein zweiter Sohn und seine Frau, ihre hochwertigen Arbeiten. Gewebte Unikate und Keramiken. Zum Gebrauch oder einfach für Schön. 

Echte SchönZeit ist das hier beim Stöbern, Entdecken und Mitnehmen neuer Schätze.

 

DANKE Herr von Stenglin für Ihre mich sehr bereichernde Zeit!